Für Angehörige ist die psychische Erkrankung eines geliebten Menschen ein schwerer Schicksalsschlag. Einerseits müssen sie die Stigmatisierung ihrer Umwelt ertragen, andererseits ist es für sie selbst nicht leicht, die Erkrankung zu verstehen und mit den sich daraus ergebenen täglichen Belastungen fertig zu werden.
Als Angehöriger oder Freund mit einem psychisch Kranken umzugehen ist oft eine Herausforderung. Oft sind die Reaktionen unberechenbar und obwohl man es gut meint, reagiert der Betroffene vielleicht gereizt oder zieht sich zurück und fühlt sich noch schlechter als zuvor. Psychisch kranke Menschen sind auf verletzlicher als gesunde Menschen. Wie soll man sich also am besten verhalten?
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Rückhalt für die Angehörigen
Für Angehörige psychisch erkrankter Personen ist es anfangs wichtig, sich umfassend über die Erkrankung zu informieren. Nur so können sie sich der Erkrankung nähern und erkennen, dass sehr viele Menschen unter einer psychischen Erkrankung leiden. Sie können mit deren Angehörigen in Verbindung treten und sich austauschen. Das Wissen, nicht allein zu sein, sondern dass andere das gleiche Schicksal ereilt hat, ist Ihnen eine große Stütze. In Selbsthilfegruppen kann man Ihnen mit Rat zur Seite stehen und ihnen helfen, die Situation zu meistern.
Betroffene ermuntern, sich helfen zu lassen
Jemand der an einer psychischen Erkrankung leidet, weiß oft selbst nicht, dass er Hilfe benötigt. Angehörige und Freunde können ihm Literatur über seine Krankheit besorgen, ihm vorschlagen mit jemanden zu sprechen, der ähnliche Krisen durchlebt hat oder einen Arzt aufzusuchen. Vielleicht lehnt der Betroffene das ab. Doch spätestens wenn man bemerkt, dass er eine Gefahr für sich selbst oder für andere darstellt, reicht es nicht mehr aus, ihn nur zu ermuntern, etwas zu unternehmen. Professionelle Hilfe ist dann unumgänglich.
Verständnis für die Erkrankten
So wie Angehörige Rückhalt brauchen, benötigt aber auch ein Kranker selbst Personen, auf die er sich verlassen kann, wenn seine Gefühle verrückt spielen. Partner, Angehörige und Freunde sollten daher lernen den Betroffenen zu verstehen. Leider ist das nicht so einfach. Als Außenstehender kann man kaum nachvollziehen, was ein psychisch Kranker fühlt. Doch Vertrauen kann man nur aufbauen, wenn der Erkrankte nicht das Gefühl hat, dass er – mit seiner Art und Weise die Welt zu sehen – alleine ist.
Ärzte und Beratungsstellen helfen den Angehörigen mit dem Betroffenen mitzufühlen: was er durchlebt und welche Folgen die Erkrankung für ihn hat. So entwickeln Angehörige mehr Verständnis. Sie müssen sich auch klar machen, dass Reaktionen des kranken Menschen nicht Ausdruck einer Bösartigkeit sondern der Krankheit sind. Der Erkrankte ist sensibler und weniger konfliktfähig. Das zu erkennen hilft, mehr Rücksicht zu nehmen und sich nicht gleich durch das Verhalten des kranken Angehörigen getroffen zu fühlen. Der Umgang miteinander wird so entspannter.
Entscheidungen
Psychisch Kranke mögen nicht wirklich belastbar sein und manchmal sind sie nicht in der Lage Entscheidungen zu treffen. Verlangt man zuviel von ihm, wird er vielleicht mutlos.
Doch noch verzweifelter könnten sie sich fühlen, wenn man sie nicht in den Alltag mit einbezieht. Natürlich sollten sie auch nicht zu Entscheidungen gezwungen werden, die sie nicht treffen können oder möchten.
Manchmal beschließt der Erkrankte auch Dinge, die er später bereuen könnte und nicht mehr Rückgängig gemachte werden können – z.B. Aufgabe der Arbeit oder Wohnung. Andere Entscheidungen gefährden möglicherweise sogar seine Gesundheit – z.B. Entscheidungen bezüglich Essen, Körperpflege und Bewegung. Angehörige benötigen viel Geduld, Feingefühl und Unterscheidungsvermögen um richtig zu reagieren.
Weder überfordern, noch bemuttern
Angehörige sollten einen psychisch Erkrankten weder überfordern, noch ihn „bemuttern“ und völlig entlasten. Dazu kann auch gehören, ungewöhnliche Handlungsweisen – die man selbst nicht nachvollziehen kann – zu tolerieren. Verkehrtes Handeln sollte man natürlich nicht übergehen. Ein psychisch Erkrankter kann genauso wie jeder gesunde Mensch aus den Folgen seiner Handlungen lernen. Handelt er gewalttätig, müssen auf jeden Fall drastische Schritte unternommen werden.
Angehörige können dem Kranken auch mitteilen, wenn sein Verhalten das Zusammenleben stört. Dabei sollten sie jedoch Fingerspitzengefühl beweisen. Ich-Aussagen, die eigene Empfindungen beschreiben, verhindern, dass der Erkrankte sich gekränkt fühlt – z.B. „Mich stört es, wenn du nicht aufräumst“, statt „Jetzt räum endlich auf!“ Man sollte sich also gut überlegen, was man erreichen möchte, sich einen günstigen Zeitpunkt aussuchen und sich auf eine sachliche Ausdrucksweise beschränken.
Angehörige sollten sich auch davor hüten, Schuldgefühle zu wecken, indem sie mitteilen, wie belastend der Umgang mit dem Erkrankten ist oder welche Sorgen sie sich um ihn machen. Auch Kritik an dem Kranken, kann eine Verschlimmerung des psychischen Leidens bewirken und ihn zu drastischen Reaktionen veranlassen.
Miteinander Reden
Nach einer Krise oder einem Klinikaufenthalt ist wichtig, darüber miteinander zu sprechen. Alle Betroffenen sollten offen erzählen, wie sich das Erlebte aus ihrer Sicht darstellte – in aller Ruhe, liebevoll, ohne Vorwürfe. Auch die Gedanken und Gefühle des Kranken sollten ernst genommen werden.
Ein psychisch Erkrankter fühlt sich oft schon besser, wenn ihm einfach nur zugehört und Mitgefühl gezeigt wird. Angehörige und Freunde können ihm auch versichern, dass sie ihn lieben und zu ihm stehen. Solche Gespräche können eine weitere Krise verhindern. Jeder kann dabei überlegen, was er möglicherweise zu der Situation beigetragen hat und sein Verhalten daraufhin ändern.
Ein vertrauensvolles Verhältnis und eine gute Kommunikation bewegt die psychisch kranke Person dazu, ihr Leiden einzusehen und sich ihren Lieben anzuvertrauen, sobald sie selbst erste Anzeichen für eine neue psychische Krise bemerkt. In Gesprächen können auch bestimmte Vereinbarungen getroffen werden, z.B. dass die Person in solchen Fällen sofort einen Arzt aufsucht.
Krisen durch Absprachen meistern
Generell sollten Angehörige mit dem Erkrankten absprechen, was sie selbst tun sollen, wenn weitere Krisen auftreten. Er kann dadurch seiner Familie helfen, in solchen Situationen zu ihm durchzudringen. Außerdem sollten Angehörige wissen, welche Maßnahmen im Sinne des Erkrankten sind: Wann soll eine Klinikeinweisung erfolgen? Welche klinische Behandlungen sind erwünscht ist und wann sollten Angehörige eingreifen? Welche Personen dürfen ihn in der Klinik besuchen? Auch wer sich in solchen Fällen um Kinder, Haustiere und Wohnung kümmert, sollte vorab geklärt werden.
Offene Gespräche und feste Vereinbarungen werden Angehörigen und Freunden helfen, Krisensituation nicht überfordert gegenüber zu stehen. Mitfühlendes Verständnis und aufrichtige Zuneigung bewirkt, sich mit dem Erkrankten über kleine Fortschritte zu freuen, geduldig seine Gesundung abzuwarten und mit ihm gemeinsam das Leben wieder zu genießen.