Schmerzentstehung und Schmerzbehandlung sind auch trotz modernster Methoden und Techniken immer noch ein sehr kompliziertes medizinisches Gebiet. So sind nicht nur körperliche Leiden für Schmerzen verantwortlich – eine große Rolle im Zusammenhang mit der Schmerzursache und der Schmerzempfindung spielen oft psychologische Einflüssen.
Inhalt
- Wie äußert sich das chronische Schmerzsyndrom?
- Spezialtherapie als Möglichkeit sich mit den Ursachen des Syndroms auseinander zu setzen
- Behandlung: Entspannung durch therapeutische Übungen
- Pharmakotherapie – Chronisches Schmerzsyndrom und Medikamentenmissbrauch
- Progressive Muskelentspannung – Durch Anspannen entspannen
Psychosoziale Probleme, Verarbeitungsprozesse und innerliche Konflikte wirken sich auf unsere Gesundheit aus und beeinflussen den Grad der Beeinträchtigung durch Schmerzen maßgeblich. Jeder Patient empfindet Schmerzen ganz individuell, da jeder einen eigenen Hintergrund für seine (chronischen) Schmerzen mitbringt.
Diesen subjektiven Hintergrund nimmt die Spezialkur für Patienten mit chronischem Schmerzsyndrom zum Anlass, um den Betroffenen zu helfen. Hierbei wird weniger die Verminderung des Schmerzempfindens betont, als die Minderung der psychologischen Beeinträchtigungen.
Häufig leiden Frauen unter 35 Jahren unter dem Schmerzsyndrom, Männer machen nur rund ein Drittel der Betroffenen aus. Viele dieser Patienten leiden unter somatoformen Schmerzsyndromen. Das heißt, dass ihr Schmerzempfinden durch nicht bewusst wahrgenommene innere Konflikte beeinflusst wird. Sie verleugnen diese Beeinträchtigungen und versuchen diese durch somatische Schmerzen auszudrücken, ohne es oftmals wirklich wahrzunehmen.
Bei so einem komplexen Krankheitsbild spielt nun das Arzt-Patienten-Verhältnis eine große Rolle. Neben medizinischer Betreuung und therapeutischer Linderung der Symptome wird so während der Spezialkur vor allem auf die Funktion des Symptoms eingegangen.
Wie äußert sich das chronische Schmerzsyndrom?
Um festzustellen, ob eine (chronische) somatoforme Schmerzstörung vorliegt, wird der Patient zunächst eingehend untersucht. Es wird betrachtet, inwiefern sich der Schmerz äußert und ob dieser auf somatische (körperliche) Ursachen zurückzuführen ist.
Betroffene Personen leiden über Monate hinweg an kaum erträglichen und andauernden Schmerzen, welche sich nicht auf körperliche Beeinträchtigungen zurückführen lassen. Auch leiden sie grundsätzlich unter psychischen Belastungsfaktoren, welche von einem Arzt als mögliche Ursache in Erwägung gezogen werden. Häufig erlitten die vom chronischen Schmerzsyndrom Betroffenen einen schweren Verlust oder erlebten ein kritisches Lebensereignis, welches in zeitlichem Zusammenhang mit dem Beginn der Schmerzen stehen kann. Auffällig ist, dass Patienten ihre Schmerzen selten genau lokalisieren können und auch kaum Unterschiede in der Schmerzintensität während des Tagesverlaufs spüren.
Spezialtherapie als Möglichkeit sich mit den Ursachen des Syndroms auseinander zu setzen
Zu Beginn der Spezialtherapie wird ein analysierendes Erstgespräch mit dem Patienten geführt. Hierbei werden vorallem die biografischen Punkte der Erkrankung hinterleuchtet.
So wird betrachtet, wie stark die Schmerzen sind und wie der Patient bislang mit ihnen umging. Auch wird untersucht, ob es bereits ersichtliche Einflussfaktoren gibt, welche sich auf die Schmerzen auswirken und wie der Patient sich diese erklärt.
Um den meist komplexen Zusammenhängen zwischen dem inneren Gefühlsleben und dem Symptom Schmerz zu ergründen, muss untersucht werden, welche Funktion dieser Schmerz im sozialen System hat und wie das soziale Umfeld darauf reagiert bzw. der Patient interagiert.
Häufig ist es nämlich so, dass der Patient den Schmerz (unbewusst) zur Regelung seines sozialen Umfelds einsetzt.
So ist es maßgeblich, dass der Patient und der Arzt interdisziplinär zusammenarbeiten. Zusammen betrachten sie das bio-psycho-soziale Schmerzverständnis sämtlicher Beteiligten und stellen den Schmerz als Symptom in den Vordergrund. Das Verständnis des Patienten vom Schmerzen als Ausdrucksform innerer Beeinträchtigungen wird geschult und verinnerlicht.
Wichtig ist das Vertrauen des Patienten gegenüber dem Arzt. Oft erlitten Betroffene im Vorfeld Enttäuschungen von Seiten des vorher behandelnden Arztes, welcher den Schmerz lediglich zu lindern anstrebte, die auslösende Ursache jedoch nicht betrachtete. Um organische Ursachen für das Schmerzsyndrom auszuschließen, werden bisher erhobene Befunde der Differentialdiagnostik vorgelegt und gegenbenenfalls erweitert.
Ablauf
Während der Spezialtherapie lernt der Patient sich bewusst mit den Schmerzen auseinander zu setzen. In Gruppen wird der Betroffene dazu angehalten sich mit seinen Konflikten und dem Zusammenhang mit dem Schmerz zu beschäftigen. Häufig wird ein so genanntes „Schmerztagebuch“ geführt, in welchem die Patienten den Verlauf der Schmerzen festhalten und diese im Anschluss mit dem Therapeuten zu besprechen. Nach 14 Tagen wird das Tagebuch durch ein „Emotionstagebuch“ ersetzt, welches multifaktorielle Erklärungsansätze zur Schmerzentstehung liefert.
Durch diese Übungen wird dem Betroffenen der Zusammenhang zwischen Schmerzen und den emotionalen Beeinträchtigungen erklärt. Diese werden mit den Erklärungsmodellen des Patienten verglichen, um dadurch neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Die neuen Strategien und Übungen werden nun in Gruppen oder alleine eingeübt. Wichtig ist hierbei das Transferieren des Erlernten in Alltagssituationen. Dabei wird die Eigeninitiative gestärkt und das Bewusstsein gegenüber den Schmerzen geschult. Der Patient erkennt Zusammenhänge zwischen speziellen Situationen und Schmerzen und lernt durch Entspannungsverfahren damit gezielt umzugehen.
Um größt mögliche Erfolge zu erzielen, steht auch hier wieder der individuelle Hintergrund der Erkrankung sowie das subjektive Befinden des Patienten im Vordergrund. Die Übungen werden zielgerichtet auf den Patienten ausgerichtet und sein Verhalten sowie die Erfolge individuell analysiert.
Wichtig ist es, dem Patienten die Angst vor Veränderungen zu nehmen. Ein erster Schritt ist es, dass der Betroffene angestrebte Schmerzfreiheit zunächst so betrachtet, dass er eine „verminderte Beeinträchtigung“ durch Schmerzen erzielen soll. Das ist wichtig, da sich viele Patienten unbewusst mit den Schmerzen vor inneren Konflikten schützen wollen. Dieser Schutz muss zunächst bestehen bleiben, um sich gezielt und erfolgreich mit der psychischen Ursache des chronischen Schmerzes auseinander zu setzen.
Behandlung: Entspannung durch therapeutische Übungen
Um die vom Schmerz betroffenen Regionen des Körpers zu entspannen, werden verschiedene Massage- und andere Entspannungsmethoden eingeübt. Hierbei wird die Verbesserung von schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen trainiert und eine allgemeine Muskelrelaxion angestrebt.
Die Kureinrichtungen halten hierfür Rückenschulen, Massagen, Wirbelsäulengymnastik aber aber Packungen und Bäder unter therapeutischer Aufsicht bereit. Ziel der progressiven Muskelrelaxation ist es, neben der Schmerzlinderung ein grundsätzlich besseres Körpergefühl zu entwickeln. Der Patient lernt seinen Körper besser wahr zu nehmen und somit den Schmerz eigenständig zu kontrollieren.
Darüber hinaus bieten viele Rehabilitations-Zentren Zusatzbehandlungen wie Akupunktur, Akupressur sowie auch hypnotherapeutische Schmerzformeln zur Ergänzung und Steigerung des therapeutischen Erfolges an. Die Zilgrei-Behandlung als Kombination aus Atmungs- und Bewegungsübungen eignet sich ebenfalls zur krankengymnastischen Übungsbehandlung der Schmerzkontrolle.
Pharmakotherapie – Chronisches Schmerzsyndrom und Medikamentenmissbrauch
Gerade bei chronischen Erkrankungen besteht in Einzelfällen die Gefahr eines häufig unbewussten Medikamentenmissbrauchs.
Wichtig für den Erfolg der Schmerztherapie ist vor allem, dass der Patient zunächst einen Medikamentenentzug macht. Der Entzug muss in den Alltag des Patienten mit eingebaut werden. Nur durch das intensive Zusammenarbeiten von Arzt, Patient und seinem Umfeld ist ein erfolgreicher Entzug überhaupt erst möglich.
Als wichtigste Substanzgruppe der Schmerzmittel gelten hier die Analgetika. Sie kontrollieren den Schmerz und helfen dem Patienten bei der Schmerzbewältigung. Grundsätzlich werden die Analgetika nur in wirksamen Dosierungen und in festen Applikationsintervallen verordnet. Diese werden vorallem zur Schmerzprophylaxe eingesetzt.
Patienten, bei denen das chronische Schmerzsyndrom auf innere Beeinträchtigungen zurück zu führen ist, leiden während der Therapie häufig an Depressionen.
Durch das bewusste Auseinandersetzen mit psychischen Konflikten und dem Sensibilisieren von psychoszialen Problemen fallen viele Patienten „in ein seelisches Loch“ und leiden unter ernsten depressiven Verstimmungen. In solchen Fällen eignen sich Antidepressiva nicht nur zur Aufhellung der Stimmung – sie wirken sogar indirekt schmerzreduzierend.
Progressive Muskelentspannung – Durch Anspannen entspannen
Die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson ist eine effektive und zugleich simple Entspannungsmethode, mit ganzheitlicher Wirkung: Entlastung und Stärkung von Körper, Geist und Seele.
1908 begann Edmund Jacobson seine Forschungen an der Harvard Universität. Ab 1936 arbeitet er als Chefarzt an einer Klinik für Innere Medizin und leitete das Institut für klinische Physiologie.
Jacobson beschrieb die Auswirkungen psychischer Belastungen auf die körperliche Befindlichkeit. Er erkannte, dass psychische Belastung sich in körperlicher Anspannung äußert und versuchte nachzuweisen, dass durch vollständige körperliche Entspannung (Muskelrelaxation) eine Beeinflussung des Zentralnervensystems im Sinne von Ruhe und Entspannung möglich ist. Die „Psychosomatik“ (Wechselwirkung zwischen Seele und Körper) ist heute ein in nahezu alle medizinischen Bereiche eindringender Begriff.